Atomausstieg in Deutschland: Ein Überblick
Deutschland verabschiedet sich schrittweise von der Atomenergie. Gab es bis 2011 noch insgesamt 17 Atomkraftwerke, sind nun nur noch drei in der Bundesrepublik (Stand September 2022) am Netz. Weg von Hochrisikotechnologie hin zu ökologisch-nachhaltiger Stromgewinnung. Der Wandel bringt jedoch Herausforderungen mit sich, vor allem für Verbraucher und Industrie.
Seit 1957: Deutschland ist AKW-Standort
Am 31. Oktober 1957 wurde das AKW-Zeitalter mit dem Atomei der TU München eingeläutet. Nur einige Jahre später, am 17. Juni 1961, ging das erste stromliefernde AKW Kahl ans Netz. In den nächsten Jahrzehnten kamen mehr als 20 Kraftwerke deutschlandweit hinzu. Doch damit soll 2022 Schluss sein, denn die Bundesregierung plant den Ausstieg vom kalten Strom. Zu umweltschädlich und zu riskant, denn häufig unbemerkt gab es auch in Deutschland Tausende meldepflichtige Ereignisse und mehr als 10 Störungen nach INES.
Fukushima und Tschernobyl: Deutschland will raus aus der Atomstromgewinnung
Erfahrungen, wie sie Bürger in Tschernobyl und Fukushima machen mussten, sollten Bewohner der Bundesrepublik nicht sammeln. Zwei Reaktorunfälle, welche unzählige Leben kosteten und riesige Gebiete für Jahrzehnte unbewohnbar machen:
- 26. April 1986: das Unglück in Tschernobyl
- 11. März 2011: die Nuklearkatastrophe in Fukushima
Russlandweit gab es bis zu diesem Zeitpunkt über 30 Reaktoren, in Japan waren es 17 Kernkraftwerke (54 Reaktoren). Die japanische Regierung handelte nach der Nuklearkatastrophe sofort und wartete nicht erst einen Test über die Zuverlässigkeit ihrer anderen Atomkraft-Standorte ab. Stattdessen gingen alle Reaktoren vom Netz. Mittlerweile sind einige von ihnen wieder am Netz:
- Ikata
- Genki
- Sendai
- Mihama
Auch in Deutschland gab es bis zum Reaktorunfall in Fukushima mehr als Atomkraftwerke, u. a.:
Name | Bundesland |
---|---|
Isar/Ohu | Bayern |
Brokdorf | Schleswig-Holstein |
Philippsburg 2 | Baden-Württemberg |
Grohnde | Niedersachsen |
Unterweser | Niedersachsen |
Krümmel | Schleswig-Holstein |
Emsland | Niedersachsen |
Neckarwestheim 2 | Baden-Württemberg |
Grafenrheinfeld | Bayern |
Gundremmingen | Bayern |
Biblis | Hessen |
Mülheim-Kärlich | Rheinland-Pfalz |
Brunsbüttel | Schleswig-Holstein |
Stade | Niedersachsen |
Doch nach Fukushima veränderte die deutsche Politik ihre Einstellung zur Energiegewinnung und beschloss den Atomkraftausstieg. Seitdem wurde das Gros der Kraftwerke heruntergefahren, wie in dieser Übersicht der verbleibenden deutschen Atomkraftwerke zu sehen ist. Mittlerweile sind nur noch drei Werke in Deutschland am Netz:
- Emsland
- Isar
- Neckarwestheim
Doch die Erfahrung mit dem Werk in Neckarwestheim zeigt, dass hiervon kein Risiko ausgeht, da keine Atomkraft genutzt wird. Auch die drei verbleibenden Kraftwerke sollen gemäß Vereinbarung zur Energiewende schließen und 2022 ans Netz gehen. Am 31. Dezember des Jahres erlöschen die Berechtigungen für die Laufzeit, doch über eine kurzweilige Verlängerung wird erneut verhandelt.
Ursächlich für den Kurswechsel sind die angespannten Verhältnisse auf dem Strommarkt. Fast alle Bürger in Deutschland müssen 2022 Erfahrungen mit rasant steigenden Energiepreisen sammeln müssen. Die Ressourcen der nachhaltigen Energiegewinnung durch Wind, Strom oder Sonne reichen noch nicht aus, um die wachsende Nachfrage am Markt zu befriedigen.
Versorgungslücke nach AKW-Abschaltung: Müssen Bürger wirklich Angst haben?
Seit der Einleitung der Energiewende in Deutschland hat sich viel getan. 2020 wurde die Windkraft erstmalig mit einem Anteil von mehr als 22 Prozent als wichtigster Energieträger der Stromerzeugung. Auch der Anteil der Fotovoltaik-Einspeisung ins deutsche Stromnetz stieg, wenngleich nur leicht, um 0,5 Prozent (eingesandt ein Teil von ca. 8,7 Prozent der Stromerzeugung).
Viele Bürger haben Angst, dass die AKW-Abscheidung eine Versorgungslücke auslöst. Doch Untersuchungen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zeigen, dass dieser Sorgen unbegründet sind. Auch mit der Abschaltung gibt es in Deutschland ausreichend Ressourcen am Strommarkt, sodass niemand die Erfahrung von unbeleuchteten Räumen oder fehlendem Stromfluss aus der Steckdose machen muss.
Dennoch bleibt die Skepsis der Bundesbürger, wie eine Umfrage der ARD zeigt. Über 80 Prozent aller Bundesbürger sprechen sich für eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten in Deutschland aus. Ursächlich dafür ist vor allem die Angst vor (weiteren) Preisexplosionen am Strommarkt. Zusätzlich bereitet der schleppende Ausbau alternativer Energiequellen Sorgen. Der regionale Streit um die Aufstellung von Windrädern verhindert die Verdoppelung der Flächen, wie es die Bundesregierung vorgesehen hat. Auch Denkmal- und Naturschutz stoppen den Bau der Windräder häufig, vor allem in Bayern. Im Vergleich zu Hessen ist das südlichste Bundesland zwar deutlich größer, hat jedoch fast genauso viele Windräder (mehr als 1.100). Auch in Ostdeutschland gibt es einen Ausbaurückgang, denn 2021 ging nur ein neues Windrad in Betrieb.
Und was kommt nach dem Ausstieg: Wie sicher ist Deutschland bei der Lagerung seiner Atomabfälle?
Seitdem die Atomkraftwerke in Deutschland Schritt für Schritt vom Netz gegangen sind, bleibt eine Frage: Wohin mit dem hochgiftigen Müll? Das AKW-Ende stellte die Bundesrepublik vor neue Herausforderungen, denn der Atommüll muss entsorgt werden:
- Circa 600.000 m³ Atommüll
- 10.000+ Tonnen hoch radioaktive Abfälle
Bislang gibt es deutschlandweit drei Lager, in denen die AKW-Hinterlassenschaften aufbewahrt werden: Gorleben, Ahaus, Rubenow. Hinzu kommen zwölf dezentralisierte Lager auf den einstigen AKW-Anlagen. Doch die Lagerflächen in Deutschland reichen längst nicht aus und sind laut Test von Experten nicht für die sichere Aufbewahrung in den deutschen Lagern geeignet. Durch die geologischen Verhältnisse ist die Endlagersuche für hoch radioaktive Abfälle herausfordernd. Bislang wurden deutsche AKW-Abfälle ins Ausland zur Wiederaufbereitung geschickt, nach:
- Sellafield (England)
- Le Hague (Frankreich)
Doch dort bleiben die Rückstände nicht mehr. 2021 einigte sich die Bundesrepublik mit Frankreich, den entsandten Atommüll zurückzunehmen. Damit beginnt das neue Ringen um sichere Lagerplätze.